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Übernahme von Ermittlungskosten für Interne Ermittlungen durch den Arbeitnehmer


von Prof. Dr. Martin Spaetgens

Die Anforderungen an Unternehmen und damit auch an Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft betreffend die Implementierung von Compliance-Management-Systemen steigen. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Whistle-Blowing-Richtlinie des europäischen Gesetzgebers vom 23.10.2019, die bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umzusetzen war. Die Richtlinie und der bereits vorliegende Referentenentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes adressieren an Unternehmen – abhängig von der Zahl der Beschäftigten – eine Verpflichtung zur Einrichtung einer sogenannten internen Meldestelle. Diesen Meldestellen ist unter anderem die Aufgabe zur Durchführung von Folgemaßnahmen übertragen in den Fällen, in denen sich ein Hinweis als stichhaltig darstellt. Gegenstand einer Folgemaßnahme ist typischerweise die Aufnahme von Internen Ermittlungen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Können einem Arbeitnehmer (ArbN), welcher durch sein Verhalten die Aufnahme interner Ermittlungen verursacht hat, die hiermit einhergehenden Ermittlungskosten auferlegt werden?

In Konkretisierung seiner Entscheidung zum Ersatz von Detektivkosten durch den ArbN (BAG Urt. v. 26.09.2013, Az.: 8 AZR 1026/12) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner jüngsten Entscheidung (Urt. v. 29.04.2021, Az.: 276/20) die Voraussetzungen für die Durchsetzung von Ansprüchen auf Ersatz von Ermittlungskosten gegenüber dem ArbN nochmals klargestellt.

Gegenstand der zitierten Entscheidung waren anonym abgegebene Hinweise gegen einen leitenden Mitarbeiter (Leiter Zentralbereich Einkauf) im Zusammenhang mit der Abrechnung von Reisekosten und sonstigen von dem Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber (ArbG) abgerechneten Aufwendungen. Daraufhin beauftragte der ArbG eine auf die Durchführung von internen Untersuchungen spezialisierte Anwaltskanzlei. Als Ergebnis dieser Ermittlungen wurde dem ArbN die fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses erklärt. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses erhob der ArbG Widerklage und machte mit dieser unter anderem Ansprüche auf Schadenersatz, gerichtet auf die Übernahme der ihm durch die Beauftragung der Anwaltskanzlei entstandenen Ermittlungskosten, geltend.

Das BAG stellt hierzu Folgendes fest:

Ein Anspruch auf Übernahme der Ermittlungskosten setzt grundsätzlich das Vorliegen folgender Voraussetzungen voraus:

  1. Gegen den ArbN muss ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung bestehen.
  2. Der ArbN muss einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragsverletzung überführt werden.

Ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung ist nach dem BAG dann anzunehmen, wenn sich der Verdacht auf strafbare Handlungen oder aber schwerwiegende Vertragsverletzungen des ArbN erstreckt. Dabei muss der Verdacht aus Perspektive eines – so das BAG – verständigen und gerecht abwägenden ArbG geeignet sein, die Voraussetzungen zum Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen.

Ergänzend hierzu fordert das Gericht eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit, dass der ArbN die als Gegenstand des Verdachts geäußerte Verfehlung im Sinne der Verletzung strafrechtlicher bzw. vertraglicher Vorgaben begangen hat. Sodann müssen die dargestellten Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Beauftragung des externen Ermittlers vorliegen.

Notwendigkeit und Erforderlichkeit

Steht damit fest, dass dem ArbG unter den aufgezeigten Voraussetzungen ein Anspruch auf Übernahme der Ermittlungskosten zusteht, ist schlussendlich zu prüfen, ob es sich bei den entstandenen Kosten um sogenannte notwendige Kosten handelt. Dies ist nach der hier besprochenen Entscheidung dann der Fall, wenn es dem ArbG gelingt, substantiiert dazu vorzutragen, welche konkreten Tätigkeiten des extern beauftragten Ermittlers erbracht wurden und inwieweit sich diese Tätigkeit auf einen zum Zeitpunkt der Beauftragung konkreten Verdacht einer vorsätzlichen Vertragsverletzung oder einer unerlaubten Handlung des ArbN erstreckt haben. Im konkreten Fall verneinte das Gericht im Ergebnis einen Kostenerstattungsanspruch mit dem Argument, dass es dem ArbG nicht gelungen sei, die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten im vorstehend aufgezeigten Sinne zu belegen.

Die im Weiteren zu beantwortende Frage, ob die Beauftragung eines externen Ermittlers unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht auch erforderlich war, konnte durch das Gericht unbeantwortet bleiben. Klarstellend hat das BAG allerdings darauf hingewiesen, dass eine Erstattung von Kosten, die im Zusammenhang mit der Beauftragung einer spezialisierten Kanzlei entstanden sind, nur dann dem Gebot der Erforderlichkeit entsprächen, wenn eigene Ermittlungen des ArbG nicht in Betracht kämen bzw. diesem nicht zumutbar wären.

Fazit

Der Entscheidung des BAG dürfte unter Hinweis auf die zunehmende Bedeutung Interner Ermittlungen als Ergebnis der kurzfristig zu erwartenden Verabschiedung eines Hinweisgeberschutzgesetzes von besonderer Bedeutung sein. Die Entscheidung stellt nicht nur klar, welche Voraussetzungen für die Begründetheit eines Anspruchs auf Übernahme von Ermittlungskosten erfüllt sein müssen, sondern beschreibt darüber hinaus die Anforderungen an die Dokumentation der durchgeführten Ermittlungen. So bedarf es einer substantiierten Darlegung, welche geleisteten und gegenüber dem ArbG abgerechneten Stunden welchen Ermittlungsschritten bzw. Maßnahmen zuzuordnen sind. Zugleich ist durch den beauftragenden ArbG darauf zu achten, dass sich der Auftragsgegenstand auf die Ermittlung eines konkret erhobenen Vorwurfes erstreckt. Für den ArbG ist es darüber hinaus notwendig darzulegen, dass im Vorfeld der Beauftragung eines externen Ermittlers geprüft wurde, ob die erhobenen Vorwürfe nicht durch Interne Ermittlungen einer Prüfung unter dem Gesichtspunkt der durch den Geschädigten zu beachteten Schadenminderungspflicht geprüft werden können.

Insoweit kann die Entscheidung für den ArbG, aber auch für den externen Ermittler, als Handreichung insbesondere betreffend die damit einhergehenden Dokumentations- und Nachweispflichten zum Zwecke der Darstellung der Erforderlichkeit der entstandenen Kosten der Ermittlungstätigkeit verstanden werden. Genau aus diesem Grund ist die Entscheidung hilfreich und praxisrelevant.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Spaetgens
Fachanwalt für Medizinrecht
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