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Personal (-gewinnung) in Corona-Zeiten


Stand: 15.12.2020

von Dr. Eva Rütz und Katharina Gorontzi

Die Corona-Pandemie stellt das Gesundheitssystem vor eine der größten Herausforderungen. Insbesondere das medizinische Personal sieht sich aktuell mehr denn je nahe der Belastungsgrenze, da es besonders an qualifiziertem Intensivpflegepersonal fehlt. Krankenhausträger sind daher dieser Tage noch stärker um Personalgewinnung bemüht denn je. Doch auf welche Tücken ist hierbei insbesondere bei einer Arbeitnehmerüberlassung und bei der Einhaltung der Arbeitszeiten zu achten und wie ist sich zu verhalten, wenn das medizinische Personal positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet wurde?

Quarantäne trotz Personalmangel?

Mit steigenden Fallzahlen steigt auch das Risiko, dass sich das medizinische Personal ansteckt oder jedenfalls unter Risikoverdacht steht. Was aber, wenn das Personal dringend zur Patientenversorgung benötigt wird und abzuwägen ist, ob das Personal in Quarantäne geschickt werden muss?

In den Fällen, in denen ein „relevanter Personalmangel (adäquate Versorgung der Patientinnen und Patienten nicht gewährleistet) vorliegt und andere Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Personalbesetzung ausgeschöpft“ sind, hat das RKI auf seiner Internetpräsenz eine Infografik „Optionen zur Tätigkeitsaufnahme von SARS-CoV-2-Kontaktpersonen“ veröffentlicht. Mit Hilfe dieser Infografik soll beim Aufeinandertreffen von Personalmangel und Risikoverdacht entschieden werden, ob und ggf. inwieweit von den üblichen Handlungsempfehlungen abgewichen werden kann. Dann kann medizinisches Personal vorzeitig wieder zur Arbeit zugelassen werden. Generell gilt, dass Anpassungen von den jeweiligen Vorgaben unter folgenden drei Voraussetzungen möglich erscheinen:

  1. Adäquate Patientenversorgung wegen Personalengpässen nicht mehr möglich;
  2. Andere Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Personalbesetzung ausgeschöpft (Absagen elektiver Behandlungen, interne und externe Verlegung in andere Kliniken und Rekrutierung von Personal);
  3. Ausübung einer medizinischen Tätigkeit.

Das Arbeitszeitgesetz gilt unverändert fort

Aktuell häufen sich die betrieblich angeordneten Überstunden. Trotz des Versorgungsauftrags und der erreichten Belastungsgrenzen gilt aber, dass die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes nicht dauerhaft überschritten werden dürfen.

Noch Ende März hatte die Bundesregierung im Rahmen der „Covid-19-Arbeitszeitverordnung“ beschlossen, die tägliche Arbeitszeit von systemrelevanten Berufen auf bis zu zwölf Stunden zu verlängern und die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu verkürzen. Eine Verlängerung der Maßgaben erfolgte über den 31. Juli hinaus nicht, sodass wieder die altbekannten Regelungen gelten (maximal 48 Stunden/6-Tage-Woche und mindestens elf Stunden täglich Ruhezeit). Eine Überschreitung auf maximal zehn Stunden/Tag ist möglich, muss aber in den folgenden 24 Wochen im Schnitt wieder auf acht Stunden abgesenkt werden.

Besonderes Augenmerk ist bei den Arbeitszeiten auch auf die Dokumentation sämtlicher erbrachter Arbeitsstunden zu legen. Im Mai 2019 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Arbeitgeber zukünftig dazu verpflichtet sind, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, das die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfasst (s. auch Twardy, KH-J 3/2019 und 1/2020). Bisher gilt diese Pflicht in Deutschland nur bei Überstunden. Da mit einer gesetzlichen Kodifikation in den nächsten Monaten zu rechnen ist, sollten hier schon notwendige Anpassungen vorgenommen werden.

Sonderdienstpläne sind mitbestimmungspflichtig

Sollte beabsichtigt sein, Sonderdienstpläne wegen der Corona-Pandemie zu etablieren, sind Mitbestimmungsrechte zu berücksichtigen. Es sind ggf. Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen abzuschließen.

Mögliche Entlastung durch Arbeitnehmerüberlassung

Kurzfristig kann dem Problem der Rekrutierung möglicherweise durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern begegnet werden. Bei einer Arbeitnehmerüberlassung ist stets auf die Einhaltung folgender Punkte zu achten, da andernfalls ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeit und dem Unternehmen, an den der Leiharbeitnehmer überlassen wurde, droht:

  • Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung,
  • Meldepflicht bei Wegfall oder Nichtverlängerung der Erlaubnis,
  • maximal 18 aufeinander folgende Monate Überlassung an dasselbe Unternehmen,
  • finanzielle Gleichstellung mit vergleichbarer Stammbelegschaft.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) hat auf seiner Internetpräsenz ausgelegt, wann Unternehmen ausnahmsweise Arbeitnehmer anderen Unternehmen überlassen können, ohne die strengen Voraussetzungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) berücksichtigen zu müssen. Dann kann Personal überlassen werden, auch ohne im Besitz einer entsprechenden behördlichen Erlaubnis zu sein. Begründet wird die Ausnahme durch das BAMS mit der „besonderen Bedeutung derartiger Einsätze“ und unter Verweis auf § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG. Danach findet das Gesetz keine Anwendung, wenn „die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird“. Voraussetzung für die kurzfristige und erlaubnisfreie Überlassung ist, dass

  • der betroffenen Arbeitnehmer der Überlassung zugestimmt hat,
  • das überlassende Unternehmen nicht beabsichtigt, dauerhaft als Arbeitnehmerüberlasser tätig zu sein und
  • die einzelne Überlassung zeitlich begrenzt auf die aktuelle Krisensituation erfolgt.

Trotz der aktuell besonderen Situationen sollten auch stets datenschutzrechtliche Besonderheiten bei der Überlassung von Personal – insbesondere bei sensiblen Gesundheitsdaten – nicht in Vergessenheit geraten. Bei Verletzung drohen nicht nur empfindliche Bußgelder; dies kann auch strafrechtlich relevant sein wegen Verletzung der Schweigepflicht. Weiterhin kann es – je nach Schwere des Datenverstoßes – auch die Durchsetzbarkeit von Vergütungsansprüchen betreffen oder Regresse auslösen.

Planungssicherheit durch befristete Arbeitsverträge

Kurzfristige Personalengpässe können auch durch den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen bedient werden. Dann besteht Sicherheit, dass das Personal nicht dauerhaft die Kostenstellen belastet und ein klares zeitliches Ende besteht. Wichtig ist, dass – sachgrundlose – Befristungen nur möglich sind, wenn die befristet eingestellten Mitarbeiter jedenfalls in den letzten drei Jahren nicht schon für das Unternehmen tätig waren. Weiterhin ist auf folgende Stolpersteine zu achten, damit nicht versehentlich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wird:

  • schriftlicher Abschluss und erst danach Antreten der Arbeit,
  • sachgrundlos darf der Arbeitsvertrag maximal dreimal bei einer Gesamtdauer von maximal zwei Jahren verlängert werden,
  • Verlängerungen sind vor Ende der Vertragslaufzeit schriftlich zu vereinbaren,
  • zusammen mit den Verlängerungen sollten keine anderen Punkte (z. B. Gehalt) angepasst werden,
  • keine faktische weitere Beschäftigung nach Ablauf der Vertragslaufzeit,
  • explizite Vereinbarung der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit.

Diskutiert wird aktuell auch, ob die ungewisse Lage aufgrund der Corona-Pandemie ein tauglicher Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sein kann. Ein sachlicher Befristungsgrund liegt dann vor, wenn „der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht“. Folge ist z. B., dass der Arbeitsvertrag auch länger als zwei Jahre befristet geschlossen werden könnte.

Fazit

Auch vor der Corona-Krise war die Gewinnung geeigneten medizinischen und pflegerischen Personals für Krankenhausträger nur erschwert möglich. Hinzu kommen nun krankheitsbedingte Ausfälle und eine Überlastung des Gesundheitssystems. Kurzfristige krisenbedingte Personalengpässen können über oben dargestellte Instrumentarien abgefangen werden, ohne zugleich den Personalbestand umfangreich dauerhaft zu erweitern.

Kontakt

Rechtsanwältin Dr. Eva Rütz, LL.M.
Fachanwältin für Medizinrecht,
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Rechtsanwältin Katharina Gorontzi, LL.M.
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Graf-Adolf-Platz 15, 40213 Düsseldorf

Weiterführende Literatur:

Twardy (2019), EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung – Umsetzung in den Krankenhäusern, KH-J 3/2019, S. 80 f.

Twardy (2020), Arbeitszeiterfassung nach TV-Ärzte/VKA – Paradigmenwechsel oder weiter wie bisher? KH-J 1/2020, S. 19 f.