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Bedeutung von G-BA-Richtlinien gemäß § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V für die Prüfung des Medizinischen Dienstes gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V


von Matthias Wallhäuser

Noch immer sind Fälle streitig, in denen Krankenkassen infolge der von ihnen veranlassten Prüfung des Medizinischen Dienstes (MD) nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V das vom Krankenhaus abgerechnete Behandlungsentgelt mit der vom MD übernommenen Begründung kürzen, die Voraussetzungen nach einer G-BA-Richtlinie gemäß § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V seien nicht erkennbar erfüllt. Bemängelt wird hierbei in der Regel das Fehlen – manchmal auch nur die Nichtvorlage – einer nach der Richtlinie notwendigen Dokumentation.

Beispielfall

Das Krankenhaus erbringt eine minimalinvasive Herzklappenintervention und kodiert diese mit dem OPS 5-35a.41, was zur Abrechnung der DRG F98C führt. Der MD „vermisst“ anlässlich seiner Fallprüfung das Protokoll des sogenannten Herzteams, eines nach der einschlägigen Richtlinie des G-BA (MHI-RL) notwendigen, Fachdisziplinen übergreifenden ärztlichen Behandlergremiums, das die gemeinsame Entscheidung für einen Eingriff medizinisch nachvollziehbar begründen und von allen an der Indikationsstellung beteiligten Fachärzten im Protokoll unterzeichnen lassen muss, § 6 Abs. 2 Nr. 2 MHI-RL. In der Folge streicht die Krankenkasse den kodierten OPS und ändert die DRG, was zu einem wesentlich geringeren Behandlungsentgelt führt.

Die Frage lautet: Darf die Krankenkasse eine Rechnungskürzung darauf stützen, dass im geprüften Einzelfall die Anforderungen einer G-BA-Richtlinie nach § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V nicht (vollständig) erfüllt sind?

Die Antwort lautet: Klar und eindeutig nein.

Die Folgen bei Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen aus Richtlinien des G-BA gemäß § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V sind Gegenstand von § 137 SGB V. Hiernach ist es Sache des G-BA selbst, ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung der Qualitätsanforderungen festzulegen. Der G-BA trifft diese Festlegungen in grundsätzlicher Weise in einer Richtlinie nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 SGB V. Die Festlegungen sind vom G-BA in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. So hat es der G-BA folgerichtig auch in der Richtlinie zur Förderung der Qualität und zu Folgen der Nichteinhaltung sowie zur Durchsetzung von Qualitätsanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 137 Absatz 1 SGB V geregelt.

Die Durchführung von Kontrollen des MD betreffend die Einhaltung der Anforderungen von Richtlinien des G-BA gemäß § 136 SGB V ist zudem spezieller Regelungsgegenstand des § 275a SGB V. Hiernach sind diese Kontrollen nicht nur der Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entzogen, sondern auch an spezielle Voraussetzungen geknüpft, die im Rahmen der Einzelfallprüfung nicht erfüllt sind, etwa die konkrete Beauftragung mit der Qualitätskontrolle und die Abgleichung der vorgefundenen Dokumentationen im geprüften Krankenhaus mit den von diesem jährlich gemeldeten Anforderungen.

Zum Beispielfall

In der MHI-RL ist weder eine Löschung oder Änderung von OPS-Kodes vorgesehen noch eine Änderung der DRG oder eine Rechnungskürzung. Vielmehr ist das Erfüllen der Anforderungen der MHI-RL gemäß § 7 Abs. 5 MHI-RL vom Krankenhausträger in Form der Checkliste in Anlage 2 zur MHI-RL bis zum 30.09. des laufenden Jahres den Kostenträgern anzuzeigen; die Kostenträger können dann gemäß § 7 Abs. 6 MHI-RL den MD mit einer Strukturprüfung beauftragen.

Ergänzung

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte mit Urteil vom 01.07.2014 (Az.: B 1 KR 15/13 R) entschieden, dass die Nichterfüllung von Anforderungen einer G-BA-Qualitätsrichtlinie ein Leistungs- und Abrechnungsverbot begründe, und dies auf § 137 Abs. 1 S. 2 SGB V gestützt, der (in der damals geltenden Fassung) vorsah, dass der G-BA auch Vergütungsabschläge vorsehen könne. Wenn die Richtlinie eine Bestimmung enthalte, nach der die Krankenhäuser die Anforderungen der Richtlinie erfüllen müssten, um die Leistungen erbringen zu dürfen, habe der G-BA von § 137 Abs. 1 S. 2 SGB V Gebrauch gemacht, so das BSG. Abgesehen von der schon damals systematischen Fragwürdigkeit dieser Argumentation, hat sich das Regelungssystem in dem vorstehend beschriebenen Sinne seit dem 01.01.2016 geändert. Die Entscheidung des BSG aus dem Jahre 2014 kann zur Begründung von Rechnungskürzungen heute daher nicht mehr herangezogen werden.

Kontakt

Rechtsanwalt Matthias Wallhäuser
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