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Strafzahlungen gemäß § 275c Abs. 3 SGB V


von Matthias Wallhäuser

Im Rahmen des MDK-Reformgesetzes hat der Gesetzgeber für das bislang in § 275 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 275 Abs. 1 c) SGB V geregelte Prüfverfahren einen neuen, separaten Paragraphen geschaffen. Unter den zahlreichen Neuregelungen des MDK-Reformgesetzes ist in § 275c Absatz 3 SGB V auch eine Sanktionsregelung in Form von Aufschlägen implementiert worden. Ab dem Jahr 2022 haben die Krankenhäuser nun auch nach § 275c Abs. 3 SGB V bei einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 60 Prozent – neben der Rückzahlung der Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem geminderten Abrechnungsbetrag – einen Aufschlag auf diese Differenz an die Krankenkassen zu zahlen. Dieser Aufschlag beträgt mindestens 300 Euro und höchstens 10 Prozent des auf Grund der Prüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) geminderten Abrechnungsbetrages, wobei der Mindestbetrag von 300 Euro nicht unterschritten werden darf.

Die gesetzlichen Krankenkassen sind der Auffassung, dass sie den Krankenhäusern auch für Rechnungen vor dem 01.01.2022 eine Strafzahlung (Aufschlag nach § 275c Abs. 3 SGB V) aufbürden dürfen, wenn ihre leistungsrechtliche Entscheidung nach diesem Datum liegt.

Unterstützt wurden sie dabei vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Dieses hatte sich mit Stellungnahmen vom 13.10.2021 und 24.11.2021 dahingehend geäußert, dass Anknüpfungszeitpunkt für die Pflicht zur Zahlung eines Aufschlages (Strafzahlung) die ab dem 01.01.2022 ergangene leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse sei, die zu einer Minderung des Rechnungsbetrages führt.

Krankenkassen hatten daher ihre leistungsrechtliche Entscheidung häufig in das Jahr 2022 gelegt.

Für alte Rechnungen dürfen keine Strafzahlungen verlangt werden.

Anders sehen dies die Sozialgerichte (SG). Mit Beschlüssen vom 18.03.2022 und 17.04.2022 haben das SG Hannover und das SG Mannheim die Auffassung der Krankenkassen im Rahmen eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens deutlich zurückgewiesen (SG Hannover, Beschluss vom 18.03.2022, Az.: S 76 KR 112/22 ER; SG Mannheim, Beschluss vom 07.04.2022, Az.: S 15 KR 382/22 ER). Die Festsetzung einer Strafzahlung für Rechnungen vor dem 01.01.2022 wird als rechtswidrig angesehen.

Im Fall des SG Hannover hatte das Krankenhaus Mitte 2021 einen gesetzlich versicherten Patienten vollstationär behandelt und die Behandlung am 11.08.2021 abgerechnet. Der MD kam zu dem Ergebnis, dass eine vom Krankenhaus kodierte und erlösrelevante Nebendiagnose zu löschen sei, was zu einer anderen DRG-Fallpauschale führte. Die Krankenkasse forderte nach zunächst vollständigem Rechnungsausgleich einen Teilbetrag zurück und setzte zugleich eine Aufschlagszahlung nach § 275c Abs. 3 SGB V fest. Das SG Hannover verwies demgegenüber auf den Wortlaut der Gesetzesbegründung, aus dem sich ergebe, dass Aufschläge erst für solche Fälle möglich seien, bei denen der Patient im Jahr 2022 ins Krankenhaus aufgenommen wurde. Der Gesetzgeber habe einen Anreiz für eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung schaffen wollen. Rechnungen, die bereits in der Vergangenheit gestellt worden seien, könnten die Krankenhäuser nachträglich nicht mehr ändern. Maßgeblich sei somit die Möglichkeit für die Krankenhäuser, ihr Abrechnungsverhalten zu ändern, um Aufschlagszahlungen zu vermeiden. Dies sei erst für Fälle nach Inkrafttreten der neuen Regelung der Fall.

Diese Auffassung wurde inzwischen auch durch andere SG bestätigt (vgl. SG Mannheim, Beschluss vom 07.04.2022, Az. S 15 KR 382/22 ER sowie SG Duisburg, Beschlüsse vom 27.04.2022, Az.: S 27 KR 340/22 KH-ER sowie S 46 KR 343/22 KH-ER).

Fazit

Bei unberechtigten Aufschlägen lohnt der genaue Blick. Aus § 275c Abs. 5 S. 1 SGB V folgt, dass die Geltendmachung des Aufschlags durch die Krankenkassen als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Dies ist im Gleichordnungsverhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern durchaus ungewöhnlich. Für das Krankenhaus ist hierdurch zudem ein weiterer Rechtsweg eröffnet: Neben der Klage auf Zahlung der Differenz zwischen Rechnungsbetrag und Erstattung der Krankenkasse, in der auch der Aufschlag enthalten ist, kann gegen die Geltendmachung des Aufschlags binnen Monatsfrist (§ 87 SGG) auch die Anfechtungsklage erhoben werden.

Rechtsanwalt Matthias Wallhäuser
Fachanwalt für Medizinrecht
PPP Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Bensberger Straße 72
51465 Bergisch Gladbach