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Rezension


Schönborn, Korruption im Gesundheitswesen. Strafrechtliche Beurteilung korruptiven Verhaltens im Medizinsektor, 1. Auflage, Linde Verlag Ges.m.b.H., Wien 2020

Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich immer. Dr. Elias Schönborn, der Autor des zu rezensierenden Werkes, ist Rechtsanwalt in Wien, zertifizierter Compliance Officer und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Korruptionsdelikten des österreichischen Strafrechts. Sein Buch zu Korruption im Gesundheitswesen wendet sich zwar primär an den Gesundheitsmarkt unseres Nachbarlandes, verwertet aber sämtliche relevante Literatur aus der Feder deutscher Autoren und gibt einen rechtsvergleichenden Überblick. Das Werk analysiert aus der Perspektive des wissenschaftlich arbeitenden Praktikers sämtliche relevanten Fragestellungen und ist daher auch deutschen Lesern zu empfehlen. Dies gilt nicht nur für Unternehmen der Medizinprodukte- und Pharmaindustrie, die mit Angehörigen der Fachkreise in Österreich kooperieren wollen, sondern aufgrund des landesübergreifenden Ansatzes auch für Justitiare und Compliance-Verantwortliche in deutschen Krankenhäusern.

Schönborn wendet sich der Rechtslage in Deutschland schon deshalb zu, weil hierzulande 2016 die „Sonderstraftatbestände“ der Korruption im Gesundheitswesen in Kraft traten, für die es im österreichischen Strafrecht kein Pendant gibt. Rechtspolitisch spricht sich der Autor auf der Grundlage von Überlegungen zum geschützten Rechtsgut der §§ 299a, 299b DStGB und zur Subsidiarität des Strafrechts (S. 248 ff.) gegen die Einführung entsprechender Straftatbestände aus, obwohl Vertragsärzte und -zahnärzte ebenso wie zum Beispiel Apotheker nicht von den Tatbeständen des geltenden österreichischen Strafrechts erfasst sind.

Eine weitgehende Übereinstimmung der Reichweite des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes in beiden Ländern ist bei den Amtsdelikten festzustellen. Diese sind dann einschlägig, wenn der Zuwendungsnehmer Amtsträger ist. Dies sind z. B. die Beschäftigten „öffentlicher Krankenanstalten“ (S. 96 ff.) sowie von „Universitätskliniken“, „Heeresspitälern“ und „Ambulatorien, die durch Krankenversicherungsträger betrieben werden“. Der Rechtslage in Deutschland entspricht es, dass die Bediensteten in kirchlichen Krankenhäusern und niedergelassene Ärzte keine Amtsträger sind und demnach nicht unter die Amtsdelikte der §§ 305 ff. ÖStGB bzw. §§ 331 ff. DStGB fallen. Auch der Belegarzt ist nicht als Amtsträger zu klassifizieren und fällt demnach durch die Maschen des österreichischen, nicht aber des deutschen Strafrechts, weil insoweit §§ 299a, 299b DStGB anwendbar sind.

Äußerst interessant ist die in Deutschland wenig beachtete Analyse der österreichischen Rechtsprechung zu den relevanten Fallkonstellationen (S. 86 ff., 131 ff.). Die Rechtsprechung unseres Nachbarn legt den Vorteilsbegriff auch mit Blick auf die Privatautonomie enger aus und sieht das Angebot, durch Abschluss eines Vertrages Einnahmen zu erzielen, nicht als Vorteil an (zur Kritik an der Rechtsprechung des BGH, Schneider, in: FS Seebode, 2008, S. 331 ff.). Überhöhte Honorare, z. B. für das Halten eines Vortrags, sollen deshalb kein Indiz für das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung darstellen (S. 87). Schönborn, der derartige Fallkonstellationen interdisziplinär beleuchtet, beurteilt die Rechtslage auch anhand des „Ärztlichen Verhaltenskodex“, einer „Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer“ aus dem Jahr 2014, die sehr viel präzisier als das deutsche Berufsrecht für Ärztinnen und Ärzte die Zusammenarbeit mit der Pharma- und Medizinprodukteindustrie regelt. Sehr interessant ist auch die strafrechtliche Prüfung der Zuwendungen im Zusammenhang mit „Repräsentationspflichten“ (S. 80 ff.), einer Problematik, die entgegen der erheblichen Praxisrelevanz in den einschlägigen Werken aus der Feder deutscher Autoren noch kaum Berücksichtigung findet.

Schönborn erweist sich anhand des Werkes als vorzüglicher Kenner der Materie. Das Buch sollte in keiner Handbibliothek der Krankenhausjustitiare und Compliance-Verantwortlichen fehlen.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Hendrik Schneider
Kanzlei für Wirtschafts- & Medizinstrafrecht
Taunusstraße 7
65183 Wiesbaden