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Kostenerstattungsanspruch bei Einsicht in die Patientenunterlagen?


von Markus Ende

Seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind Behandler mit der Frage konfrontiert, ob ihnen für die dem Patienten gewährte Einsicht in die Patientenunterlagen ein Kostenerstattungsanspruch zusteht. Die Frage wird in der Rechtsprechung und in der Literatur bislang uneinheitlich beantwortet. Der BGH hat am 29.03.2022 beschlossen, dem EuGH mehrere Fragen betreffend Art. 15 DSGVO zur Auslegung vorzulegen (BGH, Beschluss vom 29.03.2022, Az.: VI ZR 1352/20). Es soll u. a. geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen betroffenen Personen ein Anspruch auf Auskunft und Kopie der Patientenakte nach Art. 15 DSGVO zusteht.

Der Vorlage-Entscheidung des BGH liegt ein Verfahren zu Grunde, in welchem ein Patient von seiner Zahnärztin die unentgeltliche Zurverfügungstellung sämtlicher Krankenunterlagen fordert.

Bei der Bewertung der (Un-)Entgeltlichkeit des Anspruchs spielt das Verhältnis von Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO zum Einsichtsanspruch nach § 630g Abs. 1, 2 BGB eine wesentliche Rolle. Nach § 630g Abs. 1 BGB hat der Patient ein Recht auf vollständige Einsicht in die Patientenakte. Im Gegenzug hat er dem Behandelnden die hierfür entstehenden Kosten zu erstatten (§ 630g Abs. 2 Satz 2 BGB). Art. 15 Abs. 3 DSGVO normiert hingegen ein unentgeltliches Auskunftsrecht betroffener Personen hinsichtlich ihrer personenbezogenen Daten.

Der EuGH soll nun klären, ob sich aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO die Verpflichtung ergibt, sämtliche Krankenunterlagen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Hierbei stellen sich auch die nachfolgenden Teilfragen.

Zweck der Auskunft

Es ist zu klären, ob Art. 15 DSGVO anwendbar ist, wenn der Auskunftsanspruch nicht zu datenschutzrechtlichen Zwecken geltend gemacht wird, sondern z. B. zur Vorbereitung einer Arzthaftungsklage. Einige Gerichte statuieren eine datenschutzrechtliche Zweckbindung für den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO. Dem steht jedoch entgegen, dass Art. 15 DSGVO die Überprüfung der Rechtmäßigkeit datenschutzrechtlicher Verarbeitungen ermöglichen soll. Der Wortlaut der Norm verlangt keine Zweckbindung oder Begründungspflicht. Es steht zu erwarten, dass der EuGH eine datenschutzrechtliche Motivationslage des Anspruchstellers nicht als Voraussetzung des Anspruches ansehen wird. Dies würde dem in der DSGVO verankerten Grundsatz größtmöglicher Transparenz zuwiderlaufen. Zudem würde dieses Erfordernis zu großer Rechtsunsicherheit führen.

Umfang der Auskunft

Spannender dürfte die Antwort auf die umstrittene Frage sein, ob der Anspruch aus Art. 15 DSGVO nur die Herausgabe der in der Patientenakte befindlichen personenbezogenen Daten oder auch die Herausgabe konkreter Unterlagen, aus denen sich die personenbezogenen Daten ergeben, umfasst.

Bisherige Entscheidungen des EuGH (Urteil vom 17.07.2014, Az.: C-141/12, C-372/1) weisen tendenziell darauf hin, dass Art. 15 DSGVO kein Recht auf Herausgabe bestimmter Unterlagen, sondern nur der darin enthaltenen personenbezogenen Daten begründet. Auch nach hier vertretener Auffassung bezieht sich der Auskunftsanspruch nur auf die Daten und nicht auf die sie enthaltenden Dokumente. Andernfalls käme es zu erheblichen unpraktikablen Weiterungen des Anspruchs und der Verantwortliche müsste jedes Dokument herausgeben, in welchem bspw. nur der Name des Betroffenen genannt ist. Dabei müsste er u. U. Schwärzungen vornehmen oder Passagen unkenntlich machen, um ggf. Datenschutzrechte Dritter zu wahren. Dies würde einen erheblichen Aufwand darstellen, dem ein unentgeltlich ausgestalteter Anspruch nicht gerecht wird.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie sich der EuGH zu den aufgeworfenen Fragen positionieren wird, vor allem zur Frage der Kostenerstattung. Bis dahin gilt weiterhin:

  • Die Patientenakte ist auf Verlangen unverzüglich an den Patienten herauszugeben!
  • Für die Kopie der Patientenakte darf bei Herausgabe der Unterlagen auf Grundlage von § 630g Abs. 1 BGB ein entsprechendes Entgelt verlangt werden.
  • Bei einem Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO reicht es aus, eine Kopie der verarbeiteten, personenbezogenen Daten in einer strukturierten Form zur Verfügung zu stellen.

Rechtsanwalt Markus Ende
Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB
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