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Die strafrechtlichen Risiken im Krankenhaus – nach sechs Jahren immer noch aktuell


von Dr. Lars Timm und Matthias Wallhäuser

Schon vor Einführung der Strafstandbestände der §§ 299a, 299b StGB im Jahr 2016 war die Möglichkeit, Spielräume in der Kooperation zwischen den Leistungserbringern zum beiderseitigen Wohle zu nutzen, nicht grenzenlos. Dennoch hat sich seit der Verschärfung der Regularien durch die genannten Strafnormen einiges getan. Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte schauen spätestens seitdem sehr genau auf historisch bestehende Vertragswerke und regeln die Kooperation im Zweifel neu, um ein rechtssicheres Konstrukt vorweisen zu können. Gleichwohl trifft man in der Praxis noch immer auf durchaus kritische Fragestellungen; einige sollen beispielhaft hier betrachtet werden.

Hintergrund

In den beiden letzten Jahren hat sich der Blick von Kliniken auf die Erlössituation – insbesondere, aber nicht nur pandemiebedingt – erheblich verändert. Im zweiten und dritten Quartal des Jahres 2020 wurden Ausgleichszahlungen entrichtet, um die wirtschaftlichen Pandemiefolgen zu mildern. Auch danach griffen Ausgleichsmechanismen, die sicherstellen sollten, dass Kliniken zumindest das Umsatzvolumen des Jahres 2019 erreichten. Für einige war dies mehr als auskömmlich, für andere nicht. Ohne solche Ausgleichsmechanismen sind die Kliniken heute mehr denn je gefordert, eine seriöse Wirtschaftsplanung zu erstellen. Die Herausforderungen haben dabei auch wegen weiterer Faktoren deutlich angezogen: immens steigende Kosten, nach wie vor unter dem Niveau des Jahres 2019 liegende Fallzahlen, Fachkräftemangel, fehlende Investitionsmittel des Landes, die „Zögerlichkeit“ der Verhandler auf Kassenseite, ein angemessenes Pflegbudget anzuerkennen, benennen nur die wichtigsten der für den Bestand von Kliniken durchaus kritischen Faktoren.

Dieser buchstäbliche Überlebenskampf unter wirtschaftlichem Druck und die Notwendigkeit, mangels hinreichender Versorgung durch die öffentliche Hand (in Gestalt des Bundeslandes als Investitionsmittelgeber und der Kassen als Betriebsmittelgeber) die Finanzierung der Investitionsmittel eigenverantwortlich sicherstellen zu müssen, begründet gleich zwei der drei Faktoren, die bekanntermaßen angeführt werden, wenn es um die Frage geht, unter welchen Voraussetzungen Menschen dolose (ggf. strafbare) Handlungen begehen (1. Druck/Motiv, 2. Rechtfertigung, 3. Gelegenheit = sog. Fraud Triangle).

In Hinblick auf die Straftatbestände der §§ 299a, 299b StGB wurde im Jahr 2019 polizeilich lediglich eine geringe Anzahl von Delikten verfolgt und es kam – soweit ermittelbar – zu keinen Verurteilungen, sondern nur zu Einstellungen gem. §§ 153, 153a, 170 Abs. 2 StGB. Insgesamt kann die Strafverfolgung daher als bisher überschaubar betrachtet werden, wenn die Anzahl laufender Kooperationsverträge in Krankenhäusern ins Verhältnis gesetzt wird. Allerdings berichtet der BBMV (Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren e.V.) in seinem Pressespiegel vom 13.10.2022 davon, dass die Korruption – wenngleich auf weiterhin niedrigem Niveau – auch im Gesundheitswesen kräftig zugelegt habe: 393 Verdachtsfälle auf Bestechlichkeit im Gesundheitswesen seien vom Bundeskriminalamt im Jahr 2021 registriert worden (gegenüber 165 im Jahr 2020).

Vor dem hier gezeichneten Hintergrund bleibt es wichtig, die Grenzlinien rechtlich fragwürdigen Verhaltens noch einmal konkret in Erinnerung zu rufen. Dies gilt umso mehr, als Grenzverletzungen sich im Alltag manches Mal geradezu unwissentlich vollziehen, was bekanntlich nicht vor Strafe schützt.

Risikoreiche Vertragskonstellationen

In der Praxis werden die Krankenhausgeschäftsführer gelegentlich mit – angeblich im Marktumfeld anzutreffenden – Forderungen konfrontiert, nicht selten von den kooperierenden oder eine Kooperation anstrebenden Ärzten selbst. Stets stellt sich die Frage, ob die Erfüllung dieser Forderungen bereits eine Grenzüberschreitung markiert.

Eine – ggf. nicht repräsentative – Auswahl wahrnehmbar mehrfach vorkommender Fragestellungen ist:

  • Operationen im Krankenhaus mit „Expertenzuschlag“, d. h. aufgrund des Expertenstatus erhöhte variable Beteiligung des Kooperationsarztes an den Einnahmen des Krankenhauses für die operative Leistung;
  • Kauf von Gerätschaften durch das Krankenhaus, die ausschließlich in der Praxis des Kooperationspartners genutzt werden;
  • Überlassung von Krankenhauspersonal in die Praxis (z. B. für ambulante Operationen);
  • Kauf von Praxen durch ein MVZ, um Zuweisungen zu generieren.

Auch dann, wenn den Beteiligten lediglich an der Gestaltung sinnvoller Prozessabläufe und an einer wirtschaftlichen Ressourcenallokation, also an in der Betriebswirtschaft üblichen und in anderen Geschäftsbereichen in der Regel auch rechtlich unproblematischen Zielen gelegen ist, bedarf es einer strafrechtlichen Einordnung dieser Forderungen:

Operationen im Krankenhaus mit Expertenzuschlag

Beispiel

Der operierende Arzt – ein in Teilzeit beim Krankenhaus angestellter Arzt, der im Übrigen seine eigene vertragsärztliche Praxis führt – fordert neben der festen Grundvergütung für seine angestellte Tätigkeit eine Beteiligung von x % der kalkulatorischen Arztkosten nach InEK der Einnahmen des Krankenhauses für die von ihm erbrachten operativen Leistungen und darüber hinaus noch einen sogenannten „Expertenzuschlag“ von weiteren y %.

Über die Bezeichnung Expertenzuschlag kann trefflich gestritten werden. Handelt es sich bei dem Arzt wirklich um einen Experten mit hohem Renommee? Erbringt er bloße Standardoperationen?

Strafrechtlich erscheint diese Konstellation durchaus nicht ungefährlich:

Bei der Anstellung eines niedergelassenen Vertragsarztes ist stets zu beachten, dass dieser (auch) Zuweiser sein kann. Selbst wenn die Anstellung nicht in erster Linie darauf abzielt, (vermehrt) Zuweisungen des Arztes zu erhalten, kann die Steigerung der Zuweisungsquote eine nicht allzu fernliegende Folge eines im Verlaufe der Kooperation besseren wechselseitigen Verständnisses und eingespielter Prozesse sein. Von Seiten der zuständigen Strafverfolgungsbehörden wurde nach Einführung der §§ 299a, 299b StGB ein Stufenprüfungsmodell präsentiert, das Orientierung geben können sollte: Auf der ersten Stufe sei zu prüfen, ob ein (über das Zuweiserverhältnis hinausgehendes) originäres Interesse an der Anstellung des niedergelassenen Vertragsarztes besteht. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn das Krankenhaus nachweisbare Schwierigkeiten hatte, die betreffende Arztstelle anders zu besetzen, oder wenn der niedergelassene Vertragsarzt eine besondere Expertise aufweise, aufgrund derer das Krankenhaus in die Gelegenheit gelange, bisher nicht erbrachte Leistungen anbieten zu können. Der Expertenstatus kann daher durchaus eine entscheidende Rolle spielen bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Kooperation. Es sollte dabei indes stets darauf geachtet werden, dass der Expertenstatus tatsächlich gegeben ist und sich im Alltag der Leistungserbringung durch den angestellten Kooperationspartner tatsächlich niederschlägt, andernfalls mutet der Hinweis auf den vermeintlichen Expertenstatus lediglich als Feigenblatt an und indiziert als solches lediglich ein Bewusstsein für die strafrechtliche Problematik und insoweit den Vorsatz für ein möglicherweise rechtswidriges Vorgehen. Auf der zweiten Stufe sei sodann zu prüfen, ob das vereinbarte Gehalt angemessen sei, wobei eine Überschreitung des für vergleichbare Angestellte gezahlten Gehaltes indizieren könne, dass das Gehalt zu Teilen die Zuweisung honoriere und daher strafrechtlich fragwürdig sei; die Überschreitung sei wiederum dann weniger „anrüchig“, wenn sie dadurch begründet werden könne, dass trotz Suche kein anderer Arzt gefunden werden konnte, oder das überdurchschnittlich hohe Gehalt die überdurchschnittliche Kompetenz des angestellten Arztes kompensiere.

Kauf von Gerätschaften, die ausschließlich in der Praxis genutzt werden

Diese Art der Kooperation ist aus Sicht der Autoren generell als kritisch zu betrachten. Denn für die kostenfreie – oder auch nur vergünstigte – Zurverfügungstellung von Gerätschaften gibt es schlicht keine sachliche Rechtfertigung, sondern sie zielt offensichtlich darauf, den Arzt für seine Kooperationsbereitschaft (einschließlich Zuweisungen) zu belohnen. Anders mag dies in dem Ausnahmefall sein, in dem Arzt und Krankenhaus (als Träger eine MVZ GmbH) bereits vertraglich den Verkauf der Arztpraxis an das Krankenhaus-MVZ vereinbart haben und in der Zeit zwischen Vertragsschluss und Genehmigung durch den Zulassungsausschuss ein Gerät zu ersetzen ist. Häufig ist im Kaufvertrag eine Regelung enthalten, dass der Kauf durch die übernehmende Krankenhaus-MVZ GmbH erfolgt oder sich diese an den Kosten beteiligt. Dies ist durch die Übernahme der Praxis hinreichend begründet. Auch erscheint es den Autoren denkbar, im Einzelfall aber sorgfältig zu prüfen, dass zwischen der MVZ GmbH eines Krankenhauses und der Einkaufsgesellschaft eines Krankenhauses eine Vereinbarung geschlossen werden kann, die es dem Krankenhaus-MVZ ermöglicht, an den Einkaufsvorteilen der Krankenhaus-Einkaufsgesellschaft zu partizipieren, denn diese Einkaufsvorteile sind nicht durch Zuweisungen im Verhältnis zwischen Krankenhaus und MVZ begründet, sondern schlicht durch das größere Einkaufsvolumen des Krankenhauses.

Überlassung von Krankenhauspersonal in die Praxis (z. B. für ambulante Operationen)

Auch, wenn die Überlassung von Personal des Krankenhauses an die kooperierenden Ärzte als naheliegende Gestaltung der sektorenübergreifenden Versorgung betrachtet werden kann, insbesondere dann, wenn die operierenden Ärzte OP-Ressourcen des Krankenhauses nutzen, ist neben den möglichen Risiken einer Arbeitnehmerüberlassung ebenso in strafrechtlicher Hinsicht Vorsicht geboten. Insbesondere die nicht kostendeckende oder gar kostenfreie Personalüberlassung dürfte strafrechtlich kritisch zu betrachten sein, auch dann, wenn die Kooperation im Übrigen sinnvoll und einwandfrei erscheint. Denn es liegt nahe, die kostenfreie Gestellung medizinischen Personals an den Arzt als Gegenleistung für eine entsprechende Belegung des OPs anzusehen, was unter die §§ 299a, 299b StGB zu subsumieren wäre.

Kauf von Praxen durch ein Krankenhaus-MVZ, um Zuweisungen zu generieren

Besonders hervorgehoben wurden vom Bundeskriminalamt (BKA) im Bericht zum Jahr 2021 elf Fälle, in denen Ärzte ihre Praxen an einen Gesundheitskonzern verkauft hatten, der diese in MVZ umwandelte. Die sodann im MVZ angestellten Praxisverkäufer hätten dem Konzern teure Spezialmedikamente und deren Zubereitungen zugewiesen und im Gegenzug Beraterleistungen und Studientätigkeiten abgerechnet. Auf diese Weise seien 16,5 Mio. EUR an Kickback geflossen.

Man darf keinen Fehler machen: Es bedarf keinesfalls einer solch klaren Grenzüberschreitung, um Zuweisungen durch vom Krankenhaus-MVZ gekaufte Praxen strafrechtlich fragwürdig erscheinen zu lassen. Es lässt sich auch schnell ermitteln, ob der Kauf der Praxis Einfluss auf das Zuweiserverhalten der dann beim zuweisenden MVZ angestellten Praxisabgeber hatte; hierzu müssen lediglich die Zuweisungsquoten vor dem Verkauf mit denen nach dem Verkauf verglichen werden, was in der Regel „per Knopfdruck“ bewerkstelligt werden kann. Nun liegt nicht in jeder Quotensteigerung bereits der Beweis einer Straftat, sie wird hierdurch aber doch mindestens indiziert. Umso wichtiger ist es, dass von den zuweisenden Praxisabgebern bei der Verordnung von Krankenhausleistungen alle geltenden Regelungen streng beachtet werden. Nach Auffassung der Autoren ist es den Krankenhäusern als Trägern von praxisübernehmenden MVZ anzuraten, die übernommenen Praxisinhaber klar darauf einzustellen, dass sie – strenger als es ihrer Gewohnheit entsprechen mag – die Krankenhausverordnungsrichtlinie und die Patientenwahlfreiheit zu beachten haben; es erscheint darüber hinaus angebracht, die Ärzte dazu anzuhalten, die Patienten bei Verordnung von Krankenhausleistungen ausdrücklich im Hinblick auf ihre Freiheit aufzuklären, das Krankenhaus wählen zu dürfen, und dies zu dokumentieren.

Fazit

Die noch geringe Zahl von Strafverfolgungen im Bereich der § 299a, 299b StGB kann nicht als „Freibrief“ für zukünftige Handlungen betrachtet werden. In den nächsten Jahren wird der Druck auf die Krankenhäuser und ihre MVZ eher weiter zunehmen.

Viele Gestaltungen mögen bei Eingehung nicht ein-eindeutig rechtmäßig erscheinen. Eine Sensibilität hierfür ist geboten. Es kann jedem Leistungserbringer nur angeraten werden, bei Kooperationsverhältnissen jeder Art untereinander die benannte Clearingstelle anzurufen oder eine Stellungnahme der Ärztekammer einzuholen, um eine breitere Basis für die Berechtigung der Annahme zu erhalten, wie geplant handeln zu dürfen.

Dr. Lars Timm
Hochschuldozent, Hochschule Fresenius onlineplus
ATOS Gruppe GmbH & Co. KG
Effnerstraße 38, 81925 München
lars.timm@atos.de

Rechtsanwalt Matthias Wallhäuser
Fachanwalt für Medizinrecht
Zertifizierter Compliance Officer (Univ.)
Managing Partner, PPP Rechtsanwälte
Bensberger Straße 72, 51465 Bergisch Gladbach
wallhaeuser@ppp-rae.de