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Die GOÄ gilt auch für Krankenhausträger


von Dr. Caterina Wehage

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 04.04.2024 (Az.: III ZR 38/23) entschieden, dass die GOÄ auch dann anzuwenden ist, wenn der Behandlungsvertrag über eine ambulante Leistung mit einer juristischen Person, z. B. einem Krankenhausträger, abgeschlossen wird. Dies war bisher umstritten (ausführlich zu dem Meinungsstreit Rütz/Büscher, KH-J 2/2023, S. 58 f.). Darüber hinaus äußerte sich der BGH zur wirtschaftlichen Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten über den Leistungsumfang verschiedener Krankenkassen.

Der Fall

Die Beklagte ist Trägerin eines Krankenhauses. Der Kläger war gesetzlich krankenversichert und befand sich bei der Beklagten wegen eines Prostatakarzinoms in ärztlicher Behandlung. Die Parteien vereinbarten die ambulante Durchführung des innovativen Cyberknife-Verfahrens, das nicht zu dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehört. Das Verfahren konnte auch nicht im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung angeboten werden. Zwischen der Trägerin des Krankenhauses und dem Verband der privaten Krankenversicherungen bzw. einzelnen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden zwar Vereinbarungen zur Vergütung des Cyberknife-Verfahrens. Diesen Vereinbarungen ist die Krankenkasse des Klägers jedoch nicht beigetreten.

Die gesetzliche Krankenkasse des Klägers lehnte die Kostenübernahme der Behandlung ab. Der Kläger unterzeichnete eine Erklärung, mit der er gegenüber der Trägerin des Krankenhauses bestätigte, die anfallenden Kosten nach erfolgter Behandlung zu begleichen. Die Behandlung wurde sodann ambulant durchgeführt. Die Trägerin des Universitätsklinikums rechnete unter der Leistungsbezeichnung "Cyberknife-Komplexbehandlung III" einen Pauschalbetrag ab, den der Kläger bezahlte. Der Kläger forderte den von ihm gezahlten Betrag später zurück und machte gerichtlich zweierlei geltend:

Zum einen habe die Beklagte ihn pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass andere gesetzliche Krankenkassen die Kosten für eine Cyberknife-Behandlung übernehmen. Ihm wäre ein Wechsel zu einer dieser Krankenkassen vor dem Behandlungsbeginn möglich gewesen. Die Pauschalpreisvereinbarung entspreche zudem nicht den Bestimmungen der GOÄ.

Die Krankenhausträgerin wurde zur Rückzahlung der Vergütung verpflichtet, weil die Pauschalpreisvereinbarung aufgrund eines Verstoßes gegen die GOÄ nichtig war und somit der Rechtsgrund für die Zahlung entfiel.

Anwendungsbereich der GOÄ

Der BGH hatte zu entscheiden, ob die GOÄ auf ambulante Leistungen einer juristischen Person anwendbar ist, die durch einen Arzt in einem Anstellungs- oder Beamtenverhältnis in Erfüllung seiner Dienstaufgaben erbracht werden.

Bejaht man diese Frage, wäre die Pauschalpreisvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 GOÄ nichtig. Nach § 2 Abs. 1 der GOÄ kann durch Vereinbarung eine von der GOÄ abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. Die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl oder eines abweichenden Punktwerts ist dagegen nicht zulässig. Es kann daher nur der Steigerungssatz verändert werden. Pauschalpreisvereinbarungen sind unzulässig. Dies gilt auch für medizinisch nicht indizierte kosmetische Operationen (BGH, Urt. v. 23.03.2006, Az.: III ZR 223/05).

Die streitentscheidende Frage ist in der Literatur und Rechtsprechung umstritten. Nach einer Ansicht findet die GOÄ keine Anwendung, wenn die Leistung durch eine juristische Person abgerechnet wird, es sei denn, dass der Arbeitgeber dem Arzt ein Liquidationsrecht einräumt (Wahlarztleistung). Eine juristische Person könne freie Preise vereinbaren.

Nach der Gegenmeinung sind ambulante ärztliche Leistungen auch dann nach der GOÄ abzurechnen, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, z. B. einem Krankenhausträger oder dem Träger eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), abgeschlossen wird und die Leistungen durch Ärzte im Anstellungs- oder Beamtenverhältnis erbracht werden. Dieser Auffassung hat sich der BGH nun angeschlossen. Für diese Auffassung würden nicht nur der weitgefasste Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ, sondern auch – und vor allem – der Sinn und Zweck der GOÄ sprechen. Dieser bestünde darin, einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen zwischen denjenigen, die die Leistung erbringen, und denjenigen, die zu ihrer Vergütung verpflichtet sind. Dies gelte unabhängig davon, ob der Arzt oder ein Dritter (juristische Person) Vertragspartner des Patienten geworden ist. Der Gesetzgeber habe durch die GOÄ ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht etablieren wollen, das durch die Zwischenschaltung einer juristischen Person nicht umgangen werden soll. Die Vereinbarung eines Pauschalhonorars könne auch nicht mit dem Einwand gerechtfertigt werden, dass die Leistung bislang im Gebührenverzeichnis der GOÄ nicht aufgeführt sei. Gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ könnten selbständige Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen worden sind, entsprechend einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichartigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.

Praxistipp

Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass eine (hilfsweise) Berechnung im Wege der Analogie gemäß § 6 Abs. 2 i.V.m. § 12 Abs. 4 GOÄ möglich gewesen wäre und einen vollständigen Rückforderungsanspruch ausgeschlossen hätte. Die Höhe des Steigerungsfaktors kann bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit vereinbart werden. Eine Rechnungskorrektur ist möglich und kann auch in einem Gerichtsprozess als Angriffsmittel zugelassen werden (BGH, Urt. v. 21.12.2006, Az.: III ZR 117/06). Vereinbarungen von Pauschalpreisen sollten für den Zeitraum nach dem Urteil des BGH vom 04.04.2024 unterbleiben, da aufgrund der höchstrichterlichen Klärung ab diesem Zeitpunkt der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs erhoben werden könnte.

Keine Aufklärungspflicht über unterschiedliche Leistungsangebote der Krankenkassen

Die Krankenhausträgerin wies den Kläger darauf hin, dass er bei Ablehnung der Kostenübernahme durch seine Krankenkasse für die Kosten als Selbstzahler aufkommen müsse. Über die Höhe der Kosten wurde er informiert. Zu einer darüber hinausgehenden umfassenden Beratung dahingehend, dass andere gesetzliche Krankenkassen die Kosten der Behandlung übernehmen und deshalb auch ein Wechsel der Krankenkasse in Betracht komme, war die Krankenhausträgerin nach Auffassung des BGH nicht verpflichtet. Durch die Bejahung einer derartigen Beratungspflicht würde die in § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB kodifizierte wirtschaftliche Informationspflicht zu einer Pflicht zur Rechtsdienstleistung durch den Behandler übersteigert.

Weiterführende Literatur

  • Rütz/Steude, BGH: Bindung von juristischen Personen an die GOÄ bei Erbringung ambulanter ärztlicher Leistungen, Anm. zu BGH, Urt. v. 04.04.2024, Az.: III ZR 38/23 (OLG Köln – 5 U 115/22), BeckRS 2024, 9034, Beck Fachdienst Medizinrecht, Ausgabe 7/2024, FD-MedizinR 2024
  • Rütz/Büscher, Sind Privatkrankenanstalten an die GOÄ gebunden?, KH-J 2/2023, S. 58 f.

 

Rechtsanwältin Dr. Caterina Wehage
Fachanwältin für Medizinrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kanzlei 34 Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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